Polen und Deutschland im modernen Europa
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Bericht zum ProHist-Retreat der Promotionsprogramme im Kloster Frauenwörth

18.08.2014

gruppenfoto 1Vom 1. bis zum 3. August 2014 fand das ProHist Summer Retreat statt, an dem insgesamt 17 Doktorandinnen und Doktoranden des Promotionsprogramms am Zentrum für Mittelalter und Renaissancestudien (ZMR), des deutsch-polnischen Promotionskollegs „Polen und Deutschland im modernen Europa“ sowie des Promotionsprogramms ProMoHist der Neueren und Neuesten Geschichte teilnahmen. Als Ort der Klausurtagung war mit der malerisch auf einer Insel im Chiemsee gelegenen Benediktinerinnenabtei Frauenwörth ein idealer Rahmen gefunden worden.

foto 14Als besonders erfreulich konnte es angesehen werden, dass mit Prof. Claudia Märtl, Prof. Arndt Brendecke und Prof. Martin H. Geyer drei Geschichtsprofessoren der LMU an der Tagung teilnahmen, die die Diskussionen durch fundierte Beiträge bereicherten und den vortragenden Doktoranden wertvolle Ratschläge für die Ausarbeitung ihrer Dissertationen mit auf den Weg gaben. Zudem erlaubten uns Frau Prof. Märtl und Herr Prof. Brendecke Einblicke in ihre gegenwärtigen Forschungen über die Autographen der Borgia respektive zu den politischen Praktiken im frühneuzeitlichen Spanien, wobei sie die für Professoren bestehende Schwierigkeit zur foto 11Sprache brachten, neben Lehrverpflichtungen und administrativen Tätigkeiten Zeit für eigene Forschungsprojekte zu finden. Als Gast konnte Professor Heinz Heller aus Marburg gewonnen werden, dessen aufschlussreicher Vortrag über die „Geschichtliche Vergangenheit im filmischen Präsens“ eine lebhafte Diskussion über die Bedeutung des Mediums Film für die Geschichtswissenschaften und den Umgang mit Fotografien und Filmen als historische Quellen anstieß.

Aus dem ZMR-Promotionsprogramm präsentierte Anna Dalle Mule mit der Rezeption (vermeintlicher) Höllenrittsdarstellungen Theoderichs des Großen in der wissenschaftlichen Literatur einen Teilaspekt ihres Forschungsthemas, der die Relevanz bildlicher Darstellungen für die Geschichtsforschung erneut vor Augen führte. Der Problematik, dass die bisher zu diesem Thema erschienenen Studien meist ohne Bebilderung veröffentlicht wurden, möchte Dalle Mulle in ihrer Dissertation mit der Beigabe eines reichen Bildmaterials begegnen, das die eigenen Analysen nachvollziehbar machen und weitere Forschungen erleichtern soll.foto 19 Sebastian Schmidts kunstgeschichtlicher Vortrag über die Porträtmalerei in der Reichsstadt Nürnberg in Spätgotik und Renaissance sorgte aufgrund seiner zentralen These für Diskussionsstoff, dass unter anderem aus einer Analyse der Blickrichtungen der abgebildeten Personen auf den von ihm untersuchten Diptychen geschlossen werden könne, dass diese entgegen bisheriger Ansichten im geöffneten Zustand nicht aufgehängt oder wie ein aufgeschlagenes Buch betrachtet, sondern vielmehr im Winkel von 90 Grad aufgestellt wurden. Astrid Riedler-Pohlers konnte in ihrem Vortrag Konfliktlinien zwischen jüdischen und christlichen Heilkundigen im süddeutschen Raum im Mittelalter aufzeigen. Am Beispiel des spätmittelalterlichen Regensburgs legte sie die wechselhaften Beziehungen zwischen Medizinern christlicher und jüdischer Religion dar, die sich zwischen gegenseitigen Hilfestellungen bis hin zur von christlichen Badern vorgebrachten Forderung nach Ausweisung der jüdischen Ärzte bewegten.
foto 18Ausgehend von Papst Franziskus, dessen Verzicht auf Designerschuhe in den Medien als Zeichen einer Neuorientierung der katholischen Kirche interpretiert wurde, stellte Maria Panfilova den Körper des Papstes als Element symbolischer Kommunikation vom 14. bis zum 16. Jahrhundert dar und führte aus, welchen Spielraum die Zeremonienmeister den Päpsten in der Ausübung ritueller Handlungen ließen.

Aus dem deutsch-polnischen Promotionskolleg "Polen und Deutschland im modernen Europa" führte Jakub Sawicki mit einem Vergleich zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der DDR und Polen vor Augen, dass sich die Esskulturen auf beiden Seiten des „Eisernen Vorhangs“ in den Jahren zwischen 1965 und 1975 grundlegend veränderten und trotz der unterschiedlichen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen teilweise vergleichbare Entwicklungsgänge nachgezeichnet werden können.

foto 1Vitus Huber aus dem Promotionsprogramm ProMoHist präsentierte Aspekte seines Dissertationsprojektes zur politischen Ökonomie der Eroberung Neuspaniens, wobei er im Besonderen die Mechanismen der Beuteverteilung zur Sprache brachte, für die die an die Krone eingesandten Leistungsberichte, mit denen sich die Schreiber ihre Pfründe sichern wollten, eine bedeutende Rolle spielten. Margaretha Bauer stellte ihre Forschungen zu den britischen Pflichtverteidigern der als Kriegsverbrecher angeklagten Deutschen zwischen 1945 und 1949 vor, die in den bislang vorliegenden Studien zu alliierten Militärgerichten im Nachkriegs-Deutschland kaum in den Blick genommen wurden. Sie möchte Fragen nach Amtsausübung und Strategien der britischen Verteidiger und ihrer Beurteilung durch die deutsche Bevölkerung beantworten.
Nadine Recktenwald präsentierte ihr Dissertationsprojekt über „Räume der Obdachlosigkeit“, für das sie den Umgang mit Obdachlosen in vier deutschen Großstädten und die Reaktionen und Handlungsspielräume der Obdachlosen zwischen dem Beginn ihres fürsorgerechtlichen Versorgungsanspruchs 1924 und dem Ende ihrer strafrechtlichen Verfolgung 1974 betrachten möchte. Die Dissertation wird somit eine sowohl räumliche als auch zeitliche Erweiterung ihrer Magisterarbeit darstellen, in der sie sich mit der Topologie der Obdachlosen im München der Weimarer Republik beschäftigt hatte.
Maximilian Strnads Beitrag über die im nationalsozialistischen Deutschland als „jüdisch versippt“ stigmatisierten Familien machte deutlich, dass es ein Gewinn für Studien über Themen mit Bezug zum „Dritten Reich“ sein kann, wenn der Untersuchungszeitraum über 1945 hinaus auf die Nachkriegsjahre erweitert wird und Kontinuitäten und Brüche in den Blick genommen werden.max strand 1
Konrad Sziedat führte aus, wie die westdeutsche Sozialdemokratie auf den Zusammenbruch des Ostblocks reagierte, der insbesondere aus Sicht des linken Parteiflügels als wichtiges Korrektiv gegen „neoliberale“ Politik à la Helmut Kohl und Margaret Thatcher gedient hatte. Mit dem Ende der DDR begannen sich auch die Hoffnungen der SPD auf einen zeitnahen Machtwechsel in Bonn zu verflüchtigen, nachdem die konservativ-liberale Koalition, der Ende der 1980er Jahre bereits die Abwahl prognostiziert worden war, Kapital aus Wiedervereinigung und Kollaps des Staatssozialismus schlagen konnte und gestärkt in den Bundestagswahlkampf zog.
foto 21Eine weitere „Enttäuschungsgeschichte“ präsentierte Sebastian Rojek anhand der deutschen Marine zwischen Reichsgründung und Weimarer Republik. Dabei nahm er vor allem den Ersten Weltkrieg in den Blick, als die von der Marineführung entworfene Kriegsstrategie aufgrund der unvorhergesehenen Taktik der Briten grandios scheiterte, was den Verantwortlichen im Reichsmarineamt zwar bereits kurz nach Kriegsbeginn bewusst wurde, jedoch - wie unter anderem aus den 1919 publizierten „Erinnerungen“ Alfred v. Tirpitz‘ ersichtlich wird - nicht zwangsläufig zu einem Eingeständnis eigener Fehler oder Umdenken führte.

Dem lautstarken Halleluja-Ruf einer Klosterschwester, die damit für heitere Mienen während des Fototermins sorgte, konnten angesichts des erfolgreichen Verlaufs der Tagung alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer nur beipflichten. Ein herzlicher Dank gebührt den Organisatorin Ekaterina Keding sowie - aus den Initiativgruppen der Promotionsprogramme - Mathias Irlinger, Matthias Kuhnert, Jakub Sawicki und Sebastian Schmidt und allen weiteren, die zum Gelingen der Tagung beigetragen haben.

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Bericht: Fabian Waßer

Abbildungen: Ekaterina Keding und Martin Schmidt

 


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