Polen und Deutschland im modernen Europa
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Dissertationsprojekt

Esskulturen im modernen Nachkriegseuropa. Bundesrepublik Deutschland, Deutsche Demokratische Republik und Volksrepublik Polen 1965 - 1975 im Vergleich

Erstbetreuer: Prof. Dr. Martin Schulze Wessel

Das Essen als Aktivität gehört zum Alltag eines jeden Menschen und ist deshalb ein klassisches Thema der Anthropologie. Aus der historischen Perspektive entstehen durch die Fragen, wo, was und wie gegessen wurde Untersuchungsfelder so unterschiedlicher Teildisziplinen wie der Alltags-, Kultur-, Konsum-, Transfer-, Migrations- und Geschlechtergeschichte.

Ausgehend von den drei vorgestellten basalen „W“-Fragen werden im Dissertationsprojekt drei Staaten Mitteleuropas vergleichend untersucht. Es handelt sich hierbei um die Bundesrepublik Deutschland (BRD), die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Volksrepublik Polen (Polska Rzeczpospolita Ludowa, PRL). Weshalb aßen die Westdeutschen auf einmal Pizza? War die Erhöhung des Eierkonsums in der DDR wirtschaftspolitisch motiviert? Wo und wann aß man in der PRL üblicherweise zu Mittag? Solche und weitere Fragen sollen vergleichend für die Jahre 1965 bis 1975 beantwortet werden, um alltägliche Verhaltensweisen breiter Bevölkerungsschichten zu untersuchen und auf gesamtgesellschaftliche Prozesse hinzuweisen.

Um universelle Typisierungen zu minimieren, wird in der Untersuchung die Perspektive der Zeitgenossen und ihrer Erwartungen in den Vordergrund gestellt. Auf diese Weise können sozioökonomische Asymmetrien zwischen der aufstrebenden Bundesrepublik und den unter einem systembedingten Mangel leidenden sozialistischen deutschen und polnischen Republiken anhand von Krisenerfahrungen der Zeitgenossen komparatistisch untersucht werden, ohne die großen politischen und wirtschaftlichen Unterschiede außer Acht zu lassen. Es gilt über den „Eisernen Vorhang“ hinweg, die alltäglichen Prozesse zu vergleichen und dabei zu untersuchen, welche Entwicklungen systembedingt, zivilisatorisch und kulturell-traditionell bedingt waren.

Trotz der Etablierung neuer Staats- und Gesellschaftsordnungen fanden in BRD, DDR und PRL ähnliche Veränderungsprozesse wie zum Beispiel die Verstädterung, Industrialisierung der Lebensmittelproduktion und die Internationalisierung der Essgewohnheiten statt.

Die Dekade von 1965 bis 1975 wurde zudem anders als die Jahre davor und danach nicht in erster Linie von dem bekannten Gegensatz von Wohlstand und Mangel geprägt.

In allen drei zu untersuchenden Staaten wurde in den 1960er Jahren die erste Nachkriegsgeneration erwachsen, die gänzlich in den neuen Grenzen und politischen Systemen sozialisiert wurde. Die Essgewohnheiten dieser Generation bieten eine wichtige Grundlage, um den Wandel und das Weiterbestehen traditioneller Esskultur(en) im Rahmen der gesamten kulturellen Entwicklung zu untersuchen.

Folgende Erkenntnisschwerpunkte sollen die Richtung des Forschungsvorhabens leiten:

  • Inwieweit waren die nach dem Krieg aufgebauten sozioökonomischen Strukturen in den drei Ländern verantwortlich für die jeweiligen Esskulturen?
  • Welche Bedeutung hatten Verschiebungen der Geschlechterrollen in den Gesellschaften auf die jeweilige Esskultur?
  • Welchen Einfluss übten Erfahrungen des Tourismus und der Einwanderung auf die Esskulturen aus?

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